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Frühe Formen des Nacherlebens


von Ben Rosenthal

Texten einen Disclaimer voranzustellen, kommt einem Zwang zum „Ich“-Sagen, zur Autofiktion gleich. Ob selbstbewusst oder neurotisch, der Disclaimer ist ein Spoiler und kündigt an: Es geht um mich, die Autor*in, auch wenn ich nachstehend von etwas anderem schreibe. Im Dezember 2024 starb mein Vater nach einer etwas mehr als ein Jahr währenden Krankheit. Die Krebsdiagnose erfolgte kurz nach dem Beginn des Genozids in Gaza. Dies sind die Bezugspunkte, die sich um mein zunehmend statisches Denken drehen, wie die Gestirne um die Erde eines wieder geozentrischen Universums, auch wenn ich nachstehend von etwas anderem schreibe. Dieser Text enthält Spoiler zu den Serien The Rehearsal und The Curse.



       In „Frühe Formen des Erlebens“ (1995; „The Primitive Edge of Experience“, 1989) stellt der Psychoanalytiker Thomas Ogden neben die zur Zeit der Veröffentlichung des Buches etablierten Begriffe der Objektbeziehungstheorie – die depressive und die paranoid-schizoide Position – einen dritten Begriff: die autistisch-berührende Position. Die drei Begriffe bezeichnen unterschiedliche Modi der Erfahrungsbildung im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung. Aus psychoanalytischer Perspektive findet diese in Beziehung zu präödipalen und ödipalen Objekten statt – im Kontext frühkindlicher Entwicklung durch die Eltern verkörpert. Mit Betonung darauf, dass es sich bei den Positionen nicht um chronologisch aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen handelt, sondern vielmehr um ineinander wirkende Modi psychischer Erfahrung, umreißt Ogden mit dem Begriff der autistisch-berührenden Position ein Erleben, das sich über Berührung sowie jenseits einer Differenzierung von Subjekt und Objekt bildet. Ogden verortet dieses Erleben „zwischen Form und dem Gefühl des Eingeschlossenseins […], zwischen einem Taktschlag und dem Gefühl von Rhythmus, zwischen Härte und dem Spüren von etwas Kantigem“.[1] Der Schauplatz eines solchen Erlebens ist die Oberfläche, auf welcher die Berührung stattfindet.

       Die verschiedenen Modi des Erlebens unterscheiden sich durch „den Zugriff auf unterschiedliche Abwehrmechanismen, verschiedene Formen der Symbolbildung, der Objektbeziehung und den Grad der Subjektivität“[2]. So zeichnet sich die paranoid-schizoide Position durch einen vermehrten Einsatz von Spaltung aus, während die depressive Position durch Verdrängung gekennzeichnet ist und in der autistisch-berührenden Position Abwehrmechanismen mit gleichbleibenden sensorischen Qualitäten und Rhythmen eingesetzt werden (neben Daumenlutschen und Haaredrehen führt Ogden auch das Vorstellen von Nummernserien an). Die Bezeichnung der drei Positionen darf dabei nicht mit der Terminologie der Psychopathologie verwechselt werden – alle drei gehören, so Ogden, zur nicht-pathologischen Erfahrung und Entwicklung.[3]


The Rehearsal
       In Nathan Fielders HBO-produzierter Comedy-Reality-Serie The Rehearsal will der kanadische Comedian Menschen beim Angehen womöglich jahrelang aufgeschobener Herausforderungen unterstützen. Sein Angebot ist es, mit den über Craigslist rekrutierten Teilnehmer*innen die angsteinflößende Situation nicht nur zu proben, sondern diese vor ihrem Eintreten detailgetreu nach- bzw. vorzustellen und ihre Tücken im wiederholten Erleben auszuloten. Die eventuelle Konfrontation im „echten Leben” soll minutiös vorbereitet werden, sodass sie möglichst zugunsten der von Nathan gecoachten Person ausfällt. Dieses Vor-Erleben nimmt solche Ausmaße an, dass sich im Verlauf der ersten Staffel ein Universum an vorzubereitenden Szenen ausbreitet und das Vor-Erleben zum eigentlichen Erleben wird. So entfaltet sich die Handlung in zwölf Episoden vom Verhaltens-, Expositions- und Katastrophentraining mit Kor Skeete – einem Lehrer, der einer Freundin gegenüber falsche Angaben zum eigenen Bildungsniveau korrigieren will – über das „rehearsal“ der Familiengründung mit einer zweiten Teilnehmerin, Angela, hin zu einer Untersuchung der elterlichen und kindlichen Entwicklung, in der Nathan als Probe-Vater im Zentrum selbst aktiv mitwirkt.

       Während sich Fielder in der zentralen Storyline der zweiten Staffel mit der Beziehungsarbeit von Co-/Pilot*innen beschäftigt, entwickelt er einen thematischen Nebenschauplatz der Serie: die Autismus-Spektrum-Störung. Spekulationen autistischer Rehearsal-Fans in Online-Foren, welche in der peniblen Vorbereitung auf sozial herausfordernde Situationen eigene Erfahrungen im Umgang mit einer mehrheitlich neurotypischen Umgebung wiedererkennen und das Probeverfahren als ein sich an nicht-autistische emotionale und expressive Formen angleichendes „Masking“ verstehen, begegnet Nathan ambivalent. Auf distanziertes Interesse am Störungsbild folgt starke Ablehnung der Möglichkeit einer eigenen Betroffenheit. Im Rahmen von Nathans Projekts zur Verbesserung der Flugsicherheit durch offenere Kommunikation im Cockpit und zur Prüfung seiner Eignung als Pilot, unterzieht er sich einem fMRT (im Zusammenhang mit Autismus eher ein Forschungs- denn ein diagnostisches Verfahren). Obschon er sich schließlich von der (vermeintlichen) Autorität der Diagnostik abgrenzt, verweist Nathans (Umgehen der) Frage nach dem eigenen Autismus auf seine Erforschung der menschlichen Erfahrungsbildung in den unterschiedlichen Modi des Erlebens.

       Fielders „Forschungsmethode“ verwirrt Begrifflichkeiten wie Realität und Inszenierung, character und Person, um sich in existentiellen Grenzerfahrungen Konflikten anzunähern, die im Leben einer erwachsenen Person meist verdrängt sind. Die sich aufdrängende, doch letztlich uninteressante Frage, ob das Geschehen in der Serie authentisch sei, dient zur Maskierung dessen, was wirklich, real, on screen passiert: die Exploration eines autistischen-berührenden Modus und seine Ausdifferenzierung in Konfrontation mit depressiven und paranoid-schizoiden Erlebniswelten. Fielders Bestreben ist es, das Erleben anderer auf der Ebene strukturierender Erfahrungen nachzuvollziehen.


Eingesargt
       Auf hoffnungs- und zielloser Sinnsuche stieß ich vor einigen Monaten auf den Artikel „Freud, der ‚Mann Moses’ und Jochanan ben Sakkai“ (2014) des Psychoanalytikers Wolfgang Hegener. Darin verschiebt Hegener die Aufmerksamkeit, welche die psychoanalytische Literatur dem titelgebendem Moses aus Sigmund Freuds „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ (1939) entgegenbringt, hin zum ebenfalls wiederholt in Freuds Schriften und Reden auftauchenden, doch niemals titelgebenden Jochanan ben Sakkai.[4] Diesen, der sich um 70 n. Chr. in einem Sarg aus dem belagerten Jerusalem schmuggeln ließ, um in Javneh (1948 als Yibnah von zionistischen Truppen zerstört) die erste dem Studium der Thora gewidmete Schule zu gründen, kann man als Begründer des talmudisch-rabbinischen Judentums betrachten. Das Ereignis der trauernden Abkehr vom jauchzenden Tempelkult wird in Hegeners Darstellung zur Entstehung einer grundsätzlich neuen Religion, die sich durch einen depressiven, textlichen und reflexionsfähigen Modus auszeichnet.

       Wenn es ein Judentum in depressiver Position gibt, gibt es dann auch eines in den anderen Positionen? Wie hat ben Sakkai den Sargschmuggel erlebt, der Mehrzahl seiner Sinne und dem Lebendstatus beraubt? War er außer sich? Wie haben sich seine untoten Glieder für ihn angefühlt? Beschreibt das Erleben des eigenen Untotseins im Sarg nicht genau die Beziehung zwischen der „Form und dem Gefühl des Eingeschlossenseins“, die in der autistisch-berührenden Position an Stelle des Verhältnisses von Subjekt und Objekt steht? Bereits in ben Sakkais Sarg gab es womöglich eine autistisch-berührende und eine paranoid-schizoide Komponente. Der Sarg selbst kann mit Ogden als ein autistisches Objekt verstanden werden: eine „harte, eckige Form“, die „Andersgeartetheit“ erlaubt.[5]


Primär-Objekte
       Stellt sich Nathan zunächst bloß zur Verfügung, um anderen ihr Vor-Erleben zu ermöglichen (auch wenn er bereits in der ersten Folge von The Rehearsal offenbart, dass er auch eigenes Verhalten und Begegnungen probt), zeigt sich bald, dass sein eigenes Vor- und Nach-Erleben der Innenwelt anderer, seiner primaries, im Vordergrund steht. So wird Nathan zum Vater einer Probe-Familie, deren anderes Elternteil Angela zwar einen klaren Wunsch nach Mutterschaft, doch wenig Vertrauen in seine Methoden hat, und deren drittes Mitglied ein von einer ganzen Reihe Kinderdarsteller jeden Kindesalters gespielter Sohn mit dem Namen Adam ist. Angela zeigt sich nicht nur skeptisch, was Fielders Probe-Ansatz angeht, auch in erzieherischen Fragen sieht sie einiges anders. Dies ist hauptsächlich der Rigidität ihres fundamentalistisch-christlichen Glaubens an Jesus Christus als alleinigen Heilsbringer geschuldet. Eine Erziehung, die beide religiösen Hintergründe, Angelas Christentum und Nathans Judentum, integrieren würde, kommt für sie nicht in Frage. Auf Anregung seiner Mutter widersetzt sich Nathan Angelas Verbot und feiert heimlich, im Keller und in einer bizarren Parallele zu Bildern aus der Geschichte jüdischer Verfolgung, mit Adam Chanukka. Die ödipale Einbindung der eigenen Mutter in das Beziehungsleben ist selbst eine Trope nordamerikanisch-jüdischer kultureller Produktion und setzt Nathan als nicht bloß unheroischen, sondern auch post-ironischen, post-emanzipierten und die sexuelle Hemmung als Kink auslebenden Typus in ein Distanzverhältnis zu einem stark sexualisierten männlichen jüdischen Charakter, wie er beispielsweise von Josh und Benny Safdie in Uncut Gems (mit Adam Sandler in der Hauptrolle) verhandelt wurde.[6]

       Nathans Judentum ist insbesondere in der ersten Staffel von The Rehearsal zentraler Austragungsort, Gegenstand und Mittel des spielerischen Weismachens, das seine Methode charakterisiert. So verheimlicht er Angela, dass er Adam zum jüdischen Religionsunterricht schickt. Im gründlichen Begießen des Fake-Sohns mit Wasser in einer Art Taufe vor der Rückkehr aus dem angeblichen Schwimmunterricht nimmt die konfessionelle Grenze einen körperlichen Charakter an. Ihre Überschreitung kreuzt sich hier mit Fielders Methode. Zu Ende der Dreharbeiten der rehearsals ist Nathan gleich zweimal gezwungen, klare Linien zwischen Spiel und Wirklichkeit, zwischen den Religionen und zwischen sich und „Adam“ zu ziehen: Während bei einem Kinderdarsteller eine religiöse Verwirrung nachwirkt und Nathan ihn seines Heils in Christi, dem Sohn Gottes, vergewissern muss, muss er einem anderen eröffnen, dass ihre Vater-Sohn-Beziehung eine unaufrichtige, weisgemachte war.

       Gerade im nachfolgenden Versuch Nathans, seine Ursünde zu eruieren, nämlich den genauen Moment, in dem er diesem Kinderdarsteller suggeriert hatte, dass er tatsächlich sein Vater sein könnte, zeigt sich sein Bestreben die Objektwahl des Kindes zu durchdringen – und zwar durch das wieder und wieder inszenierte Vatersein. Die Urszene wird mehrfach wiederholt, wobei verschiedene Darsteller unterschiedlichen Charakters, Alters und Figürlichkeit (ein Kind, ein Erwachsener, eine Puppe) die Objektrolle übernehmen. Diese im Grunde genommen eigene und immer weiter regredierende Objektwahl Nathans findet auch im parallelen Erzählstrang über die „Fielder-Methode“ Ausdruck: der*die primary soll in primitiven, körperlichen Modi studiert und einverleibt werden.


Die Fielder-Methode
       Die von Fielder entwickelte und im Rahmen der Serie für Schauspieler*innen kommerziell angebotene „Fielder Method“ verlangt nach einem dem Stalking gleichkommenden Studium des primary. Primary nennt Fielder die zu spielende Rolle, deren Vorlage in der Fielder’schen Inszenierung des Alltäglichen gemeinhin eine reale Person ist. Um ihre innere Erlebniswelt nachzuvollziehen, soll nicht nur das Verhalten der Person imitiert werden, vielmehr geht es um eine materielle, nahezu neuro- oder psychoplastische Modellierung der Persönlichkeit durch ein Nach-Erleben ihrer ganz basalen Erfahrungen und unter Vergessen des eigenen Erlebens.[7]

       Die nur minimal modulierte Ernsthaftigkeit von Fielders monotoner Stimme unterstreicht seine volle Konzentration auf die eigene Absorption in der fremden Person und ihre vollumfängliche Annahme im Sinne einer Offenheit für erlebte Eindrücke. Spuren dieser Schauspiel-Methode lassen sich bis in Fielders frühe Arbeiten zurückverfolgen. Mit dem charakteristisch ausdruckslosen Ausdruck spricht Fielder in einem Fernsehbeitrag von 2009 in die Kamera: „I am a fireman. I am a doctor. I am a police officer. I am a student. I am a baseball player…second base. I am a fortune teller. I am an architect…what? I am a pilot. I am a mother. I am a baby. I am a father. Kiss me… I’m Irish. I am an actor. I am an artist. I am a female doctor… not a nurse. I am bald. I am a dwarf. We are acrobats. I am a mascot. (I am a mime). I. I. I. I. I. Am. A. Person.“[8]


The Curse
       Während die anderen Rollen und ihre Kostüme zueinander passen, fällt der durch eine schwarze Balaklava in seiner Individualität und Rolle unkenntlich gemachte, sich nur durch das sprachliche Selbstbekenntnis („I am a father“) zu Erkennen gebende Vater auf. Die Vaterrolle ist nicht nur zentral in The Rehearsal, sondern auch in der fiktionalen Drama-Serie The Curse. In der zwischen den zwei Staffeln von The Rehearsal erschienenen Serie spielen Fielder und Emma Stone das überaus unausstehliche weiße Paar Asher und Whitney Siegel mit einem House-Flipping-Philantropie-Reality-TV-Projekt, „Fliplanthropy“. Begleitet von Kameras sowie einem Produzenten, ein Kindheitsfreund Ashers (gespielt von Co-Creator Benny Safdie), plant das Paar in einem noch nicht gentrifizierten Teil von Española, New Mexico, scheinbar ökologische und vorgeblich ästhetisch anspruchsvolle passive houses, angelehnt an Doug Aitkens verspiegeltes Mirage(2017), zu bauen und an finanzkräftige Interessent*innen zu verkaufen. Gerade im weltoffenen, aufgeklärten und engagierten Anstrich und in der Lingo des Paares offenbart sich ihr rassistischer Paternalismus, Narzissmus und die Bereitschaft zur Ausbeutung anderer. Gleich in der ersten Folge zeigt sich die inter- und intrapsychische Struktur dieser Eigenschaften: Eine von Ashers Seite ambivalente Interaktion mit einem Kind veranlasst dieses, Asher zu verfluchen („I curse you!“). Der Fluch verunsichert ihn dermaßen, dass er sich in weiterer Folge intensiv um die Gunst des Kindes und eine Aufhebung des Fluchs bemüht. So lässt er dessen – schwarze, migrantische, arme – Familie weiter in einem der Häuser wohnen, die eigentlich der geplanten, auf woke gedrehten Gentrifizierung zum Opfer fallen sollten.

       Neben dem von Nathans Curse-Charakter im egozentrischen Ringen um seine Gunst und Dankbarkeit bedrängten Vater dieser Familie, finden sich in der Serie zwei weitere Vaterfiguren: ein in einer Schabbat-Zeremonie in die Handlung eingeführter, nicht-jüdischer Schwiegervater mit hypogenitalem Freundschafts- und transkonfessionellem Identifikationsangebot als womöglich weniger ver- und beklemmte Vergleichsfolie zum stark gehemmten sexuellen Genuss Ashers; sowie seine eigene von einem mit der Geburt seines Kindes einhergehenden Über-Naturphänomen erledigte Vaterrolle. Massiver Spoiler: Während seine Frau in den Wehen liegt, fliegt Asher am Ende der Serie himmelwärts und weiter ins All, wo er sich in embryonaler Pose schwerelos von Frau, Kind, Vaterrolle und der fiktionalen Realität entfernt.


Aerial Arts
       Zurück zur zweiten Staffel von The Rehearsal: An Winden gezogen schwebt Nathan als Baby Chesley „Sully“ Sullenberger durch die Lüfte, lässt sich wickeln und stillen, legt als Kind Chesley „Sully“ Sullenberger seiner „Schwester“ Steine in den Mund, um nachzuempfinden, wie Chesley „Sully“ Sullenberger zu dem geworden ist, der er ist. Sullenberger ist der real existierende Held des „Miracle on the Hudson“, einer spektakulären Notlandung auf dem Hudson River. Auf seiner Suche nach der im Cockpit zumeist in Schweigen und Hierarchie verlorenen Flugsicherheit versucht Nathan Sullenbergers Biographie nachzuerleben. Er setzt sich berührend ins (hier räumlich und zeitlich verzerrte) Verhältnis zu Objekten aus Sullenbergers Leben, um ein intuitives Verständnis für dessen richtiges Handeln im entscheidenden Moment zu kriegen.


Der paranoid-schizoide Modus
       Tagesaktuell finde ich die oben erwähnte Vater-Balaklava wieder, die Gesichter der israelischen Gefängniswärter von Sde Teman verhüllend, wie diese vor die Presse treten und ihre Taten rühmen. Die Wärter leugnen die von ihnen verübte Gewalt und prahlen zugleich damit. Sie repräsentieren das spaltende, wahnhafte zionistische Unterfangen.
Fielders Autofiktionen, seine mehrphasigen Studien, „elaborate role play scenarios“, bieten dazu keine Alternative und auch kein Vokabular zum Verständnis (Nathan verstummt in der Diskussion mit der sich für Israel ereifernden Religionslehrerin). Der Schwerkraft verlustig, assoziiere ich Nathan mit ben Sakkais Sarg, der in jenem vor- und urgeschichtlichen Zustand die Belagerung und die Mauern der Stadt durchbrach. Der Zerfall der verschiedenen Positionen der Erfahrungsbildung findet vor dem gegenwärtigen geschichtlichen Hintergrund statt: Genozid in Palästina, Faschismus weltweit.



[1] Thomas H. Ogden, Frühe Formen des Erlebens, Gießen 2006, S. 32-33.
[2] Ebd., S. 10.
[3] Ogden hat eine veraltete Vorstellung von der Ätiologie des Autismus: Er hält eine „extreme, prolongierte Angst“ des Kleinkindes, die von der Bezugsperson nicht ausgehalten und besänftigt wird, und nachfolgende „hypertrophierte Varianten von Abwehrstrategien“ für ursächlich für die Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen. Aktuelle Forschung zeigt jedoch deutlich, dass allen Formen des Autismus in erster Linie genetische und neurobiologische Ursachen zugrunde liegen. (Thomas H. Ogden, Frühe Formen des Erlebens, Gießen 2006, S. 31 und S. 52).
[4] Neben seiner Besprechung ben Sakkais in „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ nahm Freud auch am letzten Treffen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung am 13.3.1938 auf die Geschichte von ben Sakkai Bezug und merkte an: „Wir sind dabei, dasselbe zu tun.“ (vgl. Wolfgang Hegener, „Freud, der ‚Mann Moses‘ und Jochanan ben Sakkai“, in: Psyche, Jahrgang LXVIII 2014, S. 1196-1223, hier: S. 1218).
[5] „Ein autistisches Objekt ist ein Sicherheit schaffender sensorischer Eindruck von spitzen Konturen, das die sonst ausgesetzte und verwundbare eigene Oberfläche bestimmt, beschreibt und schützt. Da Erfahrung zunehmend im paranoid-schizoiden und depressiven Modus gebildet wird, werden Wörter wie ‚Panzer‘, ‚Schale‘, ‚Kruste‘, ‚Gefahr‘, ‚Angriff‘, ‚Separatheit‘, ‚Andersgeartetheit‘, ‚Invasion‘, ‚Härte‘, ‚Undurchdringlichkeit‘ und ,Widerwille‘ mit Eigenschaften sensorischer Eindrücke, die von autistischen Objekten erzeugt werden, verknüpft“. (Ebd., S. 58).
[6] https://lareviewofbooks.org/article/the-last-jewish-libertine-uncut-gems-and-jewish-masculinity-onscreen/
[7] Ogden verweist im Kapitel „Der autistisch-berührende Modus der Erfahrungsbildung“ auf den Begriff der „adhäsiven Identifikation“ des Psychoanalytikers Donald Meltzer, um den Versuch zu beschreiben, die Geschlossenheit der eigenen Körperoberfläche mittels „Imitation, Mimik und klammernden Formen sensorischer Verbundenheit zu schaffen oder wiederherzustellen“ (Ogden 2006, S. 41).
[8] https://www.youtube.com/watch?v=qdE18bkpFms.